Kindermund tut Wahrheit kund
Wenn man Kinder hat, kann man bekanntlich einiges erleben.
Besonders interessant ist, was so ein Kind an Sprüchen von sich gibt. Es ist schon
originell und komisch, was z.B. Jan und Lukas in frühen Jahren "so auf Lager"
hatten. Leider habe ich nur einen kleinen Teil davon notiert. Schade eigentlich, dass es
nicht mehr ist, aber eben doch besser als gar nichts. Manches davon lässt in die kleine
Kinderseele blicken. Hier also die kleine Auswahl Sprüche aus Kindermund mit kleinen
Erläuterungen.
9/93 [Jan wurde gefragt, ob er zu seinem Geburtstag gern einen Bauernhof
geschenkt haben möchte] "Nein, das ist zu laut, denn der Bauer hämmert!" -
[Dafür wünschte er sich einen Arztkoffer]
11/93 [... - später dann wollte er doch einen Bauernhof, denn ...] "Der Bauer
hämmert nicht mehr!"
10/93 [Während der Schwangerschaft zur Geburt von Lukas nahm Christa Jan mit zum
Gynäkologen und nahm ihn auch mit ins Sprechzimmer. Als Christa auf dem Gynäkologenstuhl
saß ... meinte Jan:] "Der Doktor hat Mama kaputt gemacht!"
11/93 [Jans erste Fragen beginnen nicht mit Fragewörtern wie "Wer/Was"
usw., sondern mit:] "Das ist ...? Der Mann mit der roten Mütze, mein' ich!
Der Weihnachten kommt!"
11/93 [Jan im Bad, er guckt in einem Buch - dann er erzählt mir vom ...] "Büchermann
- der Mann aus Buchholz!"
11/93 [Lukas liegt auf der Couch und schreit; da kommt Jan zu ihm:] "Was ist
los? Hast du Probleme?"
11/93 "Ich habe drei Schlafmützen." [Jan liegt im Bett mit einer Mütze
auf dem Kopf - dann ...] "Wir sind eine große Familie - mit drei Schlafmützen!"
11/93 [Jan wurde "rechtzeitig" zu Bett gebracht; er konnte aber nicht
schlafen - so saß er "plötzlich" im Wohnzimmer bei Christa, die Lukas stillte.
Ich kam herein, sah ihn und sagte: "Wen haben wir denn da!?"; er
antwortete:] "Jan, Lukas und Mama ... und Papa!"
[Als Grund, weshalb er nicht schlafen konnte, gab er an:] "Papa war so laut
- das Hin und Her mit der Zahnbürste!" [Ich hatte mir im Bad, das ans Schlafzimmer
grenzt, mit der elektrischen Zahnbürste die Zähne geputzt.]
12/93 [Jan bekam zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt - so stand er mit der
Gitarre und wollte zudem hüpfen. Da meinte er:] "Das geht schlecht: Gitarre
spielen und Beine hoch!"
1/94 [Wenn Jan etwas machen soll, dann hat er oft keine Lust dazu. So meinte ich
einmal, er sei der Geist, der stets verneint. Jan antwortete:] "Nein, ich bin ein Geist,
der verdocht!" ["Nein, nein!" - "Doch, doch!"]
1/94 [Christa fuhr mit Jan und Lukas U-Bahn. Jan rannte durch die Bahn. Christa
setzte sich mit Lukas gleich auf den nächstbesten Platz. Da kam Jan zurück und meinte:]
"Ach, du bist ja meine Mutter. Dann setze ich mich doch zu dir!"
10/93 1/94 [Ich und Christa hörten Jan u.a. beim Spielen im Sangeston sprechen:]
"Jan hat kein Hemd. Jan hat keine Hose. Jan hat keine Schuhe. Jan hat keine Mama. Jan
hat keinen Papa. Jan hat keine Schwester. Armer Jan!!!" [In der Regel spricht
Jan von sich im dritter Person, also mit Namen. Das ist in dem Alter wohl ganz normal. Ab
und zu spricht er aber auch von sich mit "ich".]
12/93 1/94 [Wir waren erst der Meinung, daß er den Weihnachtsmann wirklich
nicht erkannt habe. Aber einmal sprach Jan dann doch vom Wilfried-Weihnachtsmann (Wilfried
Anders spielte den Weihnachtsmann), sprach aber von ihm wie von einer von Wilfried Anders
abweichenden Person. Jan selbst ist ja oft auch "jemand anders", mal der Hase,
der vom Jäger verfolgt wird, dann auch schon mal der Jäger selbst. Er ist dann aber auch
oft eine Person aus dem Familienkreis - und wir anderen sind dann auch andere Personen -
entsprechend der Person, die er ist - also wenn er Lena ist, dann ist Christa mit
Sicherheit Conny und ich bin Horst, die Eltern von Lena. In Jans Vorstellung, z.B. bezogen
auf den Weihnachtsmann, sind Weihnachtsmann und Wilfried Anders zwei verschiedene
Personen, auch wenn sich dahinter wirklich nur eine Person verbirgt. Es ist so, als wären
die zwei Personen wie eine Person in zwei verschiedenen Welten. Es zeigt, daß sich die
Phantasie der Kinder auf "höherer Ebene" bewegt; Kinder vermengen Realität
und Fiktion miteinander. Wir Erwachsenen wissen den Unterschied zwischen beiden.]
1/94 [Jan kreiert eigene Wörter, die es als solches nicht gibt, die aber durchaus
logisch, da abgeleitet sind. So hämmert man mit dem Hammer. Was macht man aber mit der
Axt?] "Veraxen!" [Die Vorsilbe ist sicherlich nicht ganz in Ordnung. Jan
gebraucht die Vorsilbe "ver" aber öfter.]
8/94 [Ein Plüschhase mit Hase hatte ein Bein verloren - so meinte Jan:]
"Jetzt braucht der Hase ein Holzbein!" [Als er dann dem Hasen die Hose auszog,
löste sich wohl auch das andere Bein - so Jan:] "Nein, der Hase braucht einen
Rollstuhl!"
9/94 [Morgens, als ich zur Arbeit wollte, gab mir Jan seinen Reisewecker "für
die Arbeit", den ihm einmal ein Schaffner im Zug geschenkt hatte - ein billiges
Werbegeschenk. Ich sagte Jan, daß ich doch eine Uhr habe, vorauf er antwortete:]
"Deine Uhr ist doch nur für draußen!"
9/94 [M., Jans ehemalige Tagesmutter wollte mit ihrer Tochter einmal wieder zu
Besuch kommen. Da ihre Tochter aber gerade krank geworden war, sagte sie telefonisch ab -
wollte aber die kommende Woche kommen. Da meinte Jan:] "Nächste Woche kann ich
nicht, da muß ich arbeiten!" - M.: "Wo arbeitest du denn?" - Jan:
"Ich arbeite in einem Geschäft. Dort bin ich Bezahler. Nein, Mama, sag schon:
Kassierer, genau. Wir Männer müssen doch immer arbeiten gehen!"
9/94 [Endlich ließ ich mit Jan einen Drachen steigen ...]: "Der Drachen soll
so hoch fliegen - bis zu Gott im Himmel!"
10/94 [Zu seinem 4. Geburtstag wünscht sich Jan, daß Lukas dann laufen kann]:
"Dann kann Lukas mir die Geschenke geben!"
11/94 [... Und wenn Lukas dann noch nicht laufen kann, so soll er es spätestens
Weihnachten]: "Damit er dem Weihnachtsmann die Rute mopsen kann!"
3/95 [Jan war zu einem Kindergeburtstag eingeladen - u.a. spielte man Eierlaufen -
allerdings mit Kartoffeln. Wer ans Ziel kam, ohne die Kartoffel zu verlieren, bekam einen
Preis. Auf die Frage, ob er denn auch einen Preis bekam, antwortete Jan:] "Ach, nein.
Meine Kartoffel fiel zweimal 'runter. Ich hatte eine so zappelige Kartoffel!"
10/95 [An dem Sprengstoffanschlag auf das World Trade Center in New York soll ein
blinder Scheich als Urheber beteiligt gewesen sein. Dieser wurde dieser Tage verhaftet.
Die Nachricht brachte man im Fernsehen und zeigte auch ein Bild des Scheichs. Das Bild
hatte viel Ähnlichkeit mit Jans "erstem" Weihnachtsmann - u.a. eine rote, weiß
abgesetzte, Mütze (oder Turban oder so) - und Sonnenbrille ... Jan "erkannte"
den Scheich gleich als Weihnachtsmann und vernahm auch, daß dieser verhaftet wurde, so
fragte er uns:] "Warum wurde der Weihnachtsmann verhaftet?" [... Jan wünscht
sich zu Weihnachten, da er in seiner Phantasie einmal Robin Hood, dann Peter Pan ist,
Pfeil und Bogen bzw. ein Schwert u.ä. - Wir sagten Jan nun, daß der Weihnachtsmann
verhaftet wurde, weil er beim Waffenschmuggel erwischt wurde. Er hättet versucht, die von
Jan gewünschten "Waffen" illegal über die Grenze zu schmuggeln ...] "Und
jetzt fällt Weihnachten aus!"
"Es waren einmal zwei Sonnen, die liebten sich und haben geheiratet vor 300
Jahren. Und die zwei Sonnen wurden fotografiert. Und dann kamen zwei Welten, aber die
Sonnen gingen nicht unter. Und dann kamen zwei Wolken, eine Regenwolke und eine normale.
Von der roten Sonne war die Regenwolke der Freund. Von der gelben Sonne war die normale
Wolke der Freund. Ein Riesenbaum, der hatte vier Knospen. Und wenn sie nicht gestorben
sind, dann leben sie noch heute." [1/96 Jans 1. Geschichte zu einem selbst gemalten
Bild]
"Hier kommen Holz-Män und Plastik-Män!" [3/96 Auf mich kommen beide
Kinder zugestürmt: Jan mit einem Hammer aus Holz und einem Holzstock und Lukas mit einem
Hammer aus Plastik und einem Plastikrohr.]
[6.8.96 - Beide Jungen bekamen beim Augenarzt Augentropfen zur künstlichen
Erweiterung der Pupillen, um den Augenhintergrund untersuchen zu können. Als Jan dann zum
2. Mal zum Augenarzt hinein mußte, fragte er, ob er nochmals Augentropfen bekäme. Als
das verneint wurde, sagte er nur:] " Na, gut! Sonst wäre ich nach Hause gefahren und
hätte mir meine Taucherbrille geholt!" - [Als Christa dann mit den Kindern wieder
draußen war, saß Lukas in seiner Kinderkarre und rief, da er nicht richtig sehen
konnte:] "Ich nicht sehen! Ich Brille!"
[3.4.97 - Seit dem 1. April geht auch Lukas in den Kindergarten, allerdings mit
Problemen. Er will nicht und sträubt sich dagegen. So fragte ihn Christa, weshalb er
nicht möchte. Lukas:] "Die Kinder ärgern mich!" Christa: "Dann muß du
die anderen Kinder auch ärgern!" Lukas: "Dann bekomme ich Ärger mit der
Kindergärtnerin!"
[6.12.97 - Jans Geburtstag feiern wir gleich öfter dieses Jahr: einmal mit den
Töstern, dann mit den Kinder und auch mit den Bremern extra - das ist insgesamt schon
stressig - als letztes feierten wir mit den Bremern - Jans Kommentar:] "Mit den
Bremern zu feiern ist kein Fingerschnippen!"
[Februar 1998 - Lukas verwechselt immer wieder Gegensätzliches; also z.B. hinten
und vorn, auch Salz und Zucker, gestern und morgen. So langsam fragen
wir uns, ob er uns vielleicht nur auf den Arm nehmen will; wir denken: ja, denn als er
abends in seinem Bett lag, bat er Christa, sie möge sein Kissen richten, sie sollte es
"gerade, nein schräge" legen - erst sagte er es also richtig,
verschlimmbesserte sich dann aber - mit einem schelmischen Grinsen!]
[März 1999] Ich fragte Lukas, was er zum Frühstück trinken möchte. Da er
morgens gehustet hatte, fragte ich ihn auch, ob er vielleicht Hustentee haben möchte,
aber er antwortete: "Nein, ich will mehr husten!"
[März 1999] Lukas möchte gern Eis essen in der Eisdiele. Christa antwortet ihm,
dass die Eisdiele am heutigen Tag Ruhetag hat. Da antwortet er: "Ich möchte auch
gern Eismann sein, dann habe ich Ruhetag!"
überarbeitet im Juni 2000