Mein Dialog mit der DBAG - Teil 4:
Meine Mail vom 20.12.2001:
Ihre Werbung mit der dreiminütigen Verspätung finde ich ganz toll.
Da ist Ihnen wirklich einmal etwas ganz Starkes eingefallen.
Leider gehöre ich zu den scheinbar wenigen Trotteln, die die
Deutsche Bahn AG tagtäglich nutzen, um morgens von Zuhause zur Arbeit und abends wieder
zurück zu fahren. Und da hört das Lachen sehr schnell auf. Wenn es dann nur drei Minuten
Verspätung wären, könnte man froh sein.
Zugleich ein kleines Rechenbeispiel: Wenn der ICE z.B. von Hamburg
nach München drei Minuten Verspätung hat, dann macht das bei einer Fahrzeit von sagen
wir einmal 5 Stunden gerade einmal 1 % aus. Bei einer Fahrzeit, z.B. von Hamburg nach
Tostedt, sind das dann bei 32 Minuten Fahrzeit bereits knapp 10 %. Und wenn man sich dann
wie ich zuletzt einmal wieder um geschlagene 22 Minuten verspätet, na wie viele % sind
denn das wohl?
Und auch das gleich an den Anfang: Es ist interessant zu sehen, wie
die Fahrzeit im Laufe der Jahre immer mehr gestreckt wird. Benötigte ein Regionalexpress
im Sommerfahrplan 1995 für die genannte Strecke nur 29 Minuten (z.B. Abfahrt
Hamburg Hbf.: 17 Uhr 23 Ankunft Tostedt: 17 Uhr 52), so benötigt er heute schon 32
Minuten (Abfahrt Hamburg Hbf.: 17 Uhr 14 Ankunft Tostedt: 17 Uhr 46). Der Zug
Abfahrt 15 Uhr 17 braucht sogar jetzt 35 Minuten (1995: Abfahrt Hamburg Hbf.: 15 Uhr 23
Ankunft Tostedt: 17 Uhr 52 ebenfalls 29 Minuten). Nur nebenbei: Ich
empfehle, den Fahrplan noch etwas mehr zu strecken, dann gelingt es Ihnen vielleicht auf
diese Weise, etwas mehr Pünktlichkeit zu erreichen!
Natürlich fragt man sich, wie diese manchmal extremen Verspätungen
zu Stande kommen. Im sogenannten Personennahverkehr sind die Züge erst einmal
hintenangestellt, d.h. Züge aus dem Fernverkehr haben in der Regel Vorrang.
Ist also morgens der Nachtzug aus Stuttgart (Ankunft Hamburg Hbf. 7 Uhr 07) verspätet, so
dürfen wir z.B. in Buchholz warten, bis er die RB überholt hat.
Und neu hinzu kommt, dass sich die Abfahrt morgens (RB Abfahrt 6 Uhr
35 ab Tostedt) dadurch verzögert, weil Güterzüge noch zur Überholung durchgelassen
werden. Dabei dröhnen schon die ganze Nacht Güterzüge durch Tostedt. Ist der Zug dann
wirklich einmal pünktlich, dann kann man davon ausgehen, dass die Einfahrt in den
Hauptbahnhof Hamburg dadurch verwehrt wird, weil das Gleis, in das der Zug fahrplanmäßig
einrollen sollte, durch einen anderen Zug blockiert ist (obwohl sicherlich andere Gleise
frei sind).
Dann gibt es schon allein dadurch Verspätungen, weil die Züge im
Schneckentempo den Hamburger Hauptbahnhof ansteuern bzw. verlassen, weil die
Schienenanlage schlicht und einfach marode ist und keine schnelleren Fahrten zulässt.
Weiterhin stehen nicht nur Schienen, sondern die Züge selbst kurz
vor der Verschrottung. Wie soll man es u.a. sonst verstehen, wenn Züge sich dadurch
verspäten (oder gar ganz ausfallen), weil die Loks wegen Schaden ausfallen oder noch
schnell getauscht werden müssen. Von Heizungsanlagen, die nicht funktionieren, von
Türen, die sich nicht öffnen lassen, und defektem Licht in einzelnen Waggons ganz zu
schweigen.
Sicherlich hat die DBAG einiges investiert: Aber die
Doppeldeckerzüge zeichnen sich durch Anfälligkeiten aus ("Schönwetterzüge"
zu viel der guten Technik?), durch beengten Raum oder dadurch, dass das
Fahrpersonal mit ihnen nicht umzugehen versteht (ein Mangel an entsprechender Ausbildung
dürfte wohl vorliegen).
Überhaupt das Personal: Dass man für diesen Job keine akademische
Ausbildung benötigt ist klar, aber etwas mehr Kompetenz wäre nicht schlecht. Und wenn es
dann einmal (einmal?!) später wird, so könnte man auch eine Durchsage machen und den
Grund der Verspätung nennen. Aber wahrscheinlich weiß das Zugpersonal selbst nicht den
Grund. Dann lässt der Zugbegleiter/Schaffner sich meist auch gar nicht erst blicken. Man
könnte ja nach dem Grund gefragt werden.
Ganz toll finde ich auch, dass man beim Lösen der Fahrkarte im Zug
eine 6 DM hohe Nachlösegebühr zu entrichten hat. Viele Bahnhöfe im Nahverkehrsbereich
sind nur mit Automaten ausgestattet, die oft nicht funktionieren oder für die
Euro-Umstellung zeitweise außer Betrieb sind.
Und ... und ... und... Ich könnte Romane schreiben über das, was
ich mit der Deutschen Bahn erlebt habe. Als Pendler, also Dauerfahrgast im Nahverkehr,
komme ich mir ähnlich vor wie das liebe Vieh, das sich zum Melken lohnt (die
nächste Fahrpreiserhöhung steht an), dem man aber keinen Komfort bieten braucht.
Vielleicht sollten Ihre hohen Herrschaften einmal eine Zeitlang im Nahverkehr unterwegs
sein, um zu sehen, wie toll es ist, in überfüllten, maroden und verspäteten
Zügen zu fahren.
Da empfinde ich eine Werbung, wie die eingangs genannte, als
Verhöhnung des Kunden! Außerdem ist die Behauptung, die Bahn ist das
pünktlichste Verkehrssystem, ja wohl auch nicht ganz richtig. Sicherlich kann man das
Schienenverkehrssystem als das pünktlichste ansehen. Innerhalb dieses Systems aber, zu
dem die eher pünktlich zu nennenden U-Bahnen und wohl auch Straßenbahnen gehören, ist
die Deutsche Bahn (und zunehmend auch deren Tochter, die S-Bahn) sicherlich das
unpünktlichste Verkehrsmittel. Aber wenn Sie Ihren Fahrplan noch etwas strecken,
dann werden Sie es bestimmt eines Tages schaffen, pünktlich zu sein. Oder ließe sich die
Pünktlichkeit auch auf normalen Wege herstellen?!
Die Antwort der DBAG:
Betreff: Zugverspätungen
Datum: Freitag, 28. Dezember 2001 09:07
Sehr geehrter Herr Albin,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir haben zwischenzeitlich die Zugläufe der von Ihnen
benutzten Züge für den Monat November bis 19.12.01 prüfen lassen, daher die verzögerte
Antwort.
Das Ergebnis zeigt insgesamt zwar keine ganz zufriedenstellende Pünktlichkeit. So
waren an den 48 Verkehrstagen in der Ankunft Hamburg Hbf bei dem RE 24392 9
"Ausreisser" von mehr als 10 Minuten Ver(s)pätung verzeichnen. Die übrigen
Zeiten waren 38 mal pünktlich bzw. bis zu 3 Minuten.
Dennoch wollen wir bestehende Schwierigkeiten nicht verschweigen. Vor technischen
Störungen an Fahrzeugen und Anlagen, Witterungseinflüssen, Bauarbeiten, Einflüsse durch
Dritte (Kühe in den Gleisen, Suizid, unberechtigter Aufenthalt im Gleisbereich, Unfälle
an Bahnübergängen,...) usw. ist auch die Eisenbahn nicht gefeit. Probleme bereiten uns
derzeit besonders die Züge mit den Doppelstockwagen. Hierbei handelt es sich um
Wendezüge, die mit einem Steuerwagen, Doppelstockwagen und einer Lokomotive gefahren
werden. Das Triebfahrzeug dieser Züge muss aber speziell für das Fahren mit
Doppelstockwagen geeignet sein. Die in dieser Jahreszeit witterungsbedingt
haftungsreduzierten Gleise können bei den Bremsvorgängen an den Rädern der
Triebfahrzeuge zu Flachstellen führen. Die Sicherheit erfordert dann die umgehende
Reparatur. Leider steht uns kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung, weil alle vorhandenen ihre
planmäßigen Leistungen erbringen. Bei Einsatz eines "normalen" Triebfahrzeugs
kann der Steuerwagen nicht genutzt werden, es müssen dann Lokumfahrten erfolgen. Bei
derartigen Unregelmäßigkeiten lässt sich das Fahrplankonzept nicht mehr einhalten, so
dass es zu Verspätungen kommen kann.
Die Pünktlichkeit auf der Kursbuchstrecke 120 Bremen - Hamburg wir(d) auch anderweitig
beeinflusst. Diese Strecke ist ohnehin äußerst "sensibel". Wie Sie sicher
wissen, ist die Infrastruktur zwischen Hamburg-Harburg und Hamburg Hbf nicht optimal, so
dass die Kapazitätsgrenze insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten schnell erreichen ist -
ab Hamburg-Harburg fädeln sich immerhin die Kursbuchstrecken (Kbs) 120 Hamburg - Bremen,
121/122 Cuxhaven/Bremerhaven - Hamburg-Neugraben (-Hamburg), 123 (Hamburg-) Buchholz
(Nordh) - Soltau - (-Hannover) und nicht zu vergessen auch die Kbs 110 Hamburg - Hannover
direkt oder indirekt in eine Gemeinschaftsstrecke ein. Dieser Streckenbereich ist somit
von der Zugfolge her außerordentlich stark mit Zugfahrten belegt, Verspätungen
übertragen sich schnell.
Wir bedauern die entstandenen Unannehmlichkeiten und bitten dafür erneut um
Entschuldigung. Bitte glauben Sie uns, dass wir stets um größtmögliche Pünktlichkeit
bemüht sind. Jedoch lassen sich die Versäumnisse der Vergangenheit, in der es der
damalige Eigentümer der Bahn, der Bund, versäumt hat, die notwendigen finanziellen
Mittel zur Modernisierung bereitzustellen, nicht von heute auf morgen bereinigen. Die
Deutsche Bahn AG investiert hierin erst seit wenigen Jahren - und wird dies fortsetzten -
einen zweistelligen Milliardenbetrag. Wir sind sicher, dass davon mittelfristig auch die
Region Nordheide und Hamburg profitiert.
In der Hoffnung, mit unseren Ausführungen zu einem besseren Verständnis beigetragen
zu haben, verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
DB Regio AG
Im Auftrag
R.P.
Meine Anmerkung:
Der von der DB Regio AG näher geprüfte Zug RE 24392 ist
eigentlich nicht 'mein' Zug. Außerdem ist es kein Zug mit 'Ankunft Hamburg Hbf' sondern
mit Abfahrt von dort. Es ist fast tröstlich zu wissen, dass auch andere Züge mit einer
nicht 'ganz zufriedenstellende(n) Pünktlichkeit' verkehren. Die Eingeständnisse des
DBAG-Mitarbeiters erstaunen mich dabei. Ist nur zu hoffen, dass der genannte zweistellige
Milliardenbetrag nicht für so etwas Überflüssiges wie die Y-Trasse ausgegeben wird,
sondern wirklich zur Sanierung der Gleiskörper und Neuanschaffung von tauglichen Zügen
benutzt wird.
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